Der Europäische Gerichtshof hat mit Entscheidung der Grossen Kammer in der Rechtssache C‑128/11 am 03.07.2012 in Sachen UsedSoft vs. Oracle folgende Feststellungen getroffen:

  • Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen ist dahin auszulegen, dass das Recht auf die Verbreitung der Kopie eines Computerprogramms erschöpft ist, wenn der Inhaber des Urheberrechts, der dem möglicherweise auch gebührenfreien Herunterladen dieser Kopie aus dem Internet auf einen Datenträger zugestimmt hat, gegen Zahlung eines Entgelts, das es ihm ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie des ihm gehörenden Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen, auch ein Recht, diese Kopie ohne zeitliche Begrenzung zu nutzen, eingeräumt hat.
  •  Die Art. 4 Abs. 2 und 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 sind dahin auszulegen, dass sich der zweite und jeder weitere Erwerber einer Nutzungslizenz auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie berufen können und somit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie als rechtmäßige Erwerber einer Programmkopie anzusehen sind, die vom Vervielfältigungsrecht nach dieser Vorschrift Gebrauch machen dürfen, wenn der Weiterverkauf dieser Lizenz mit dem Weiterverkauf einer von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie verbunden ist und die Lizenz dem Ersterwerber ursprünglich vom Rechtsinhaber ohne zeitliche Begrenzung und gegen Zahlung eines Entgelts überlassen wurde, das es diesem ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie seines Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen.

Die Entscheidung im Volltext finden Sie hier: http://curia.europa.eu

Im Wesentlichen stützt der EuGH seine Feststellungen auf folgende Grunderwägungen:

  • Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 sowohl körperliche als auch nichtkörperliche Programmkopien und somit auch Kopien von Computerprogrammen betrifft, die bei ihrem Erstverkauf aus dem Internet auf den Computer des Ersterwerbers heruntergeladen wurden.
  • Darüber hinaus sind die Veräußerung eines Computerprogramms auf CD‑ROM oder DVD und die Veräußerung eines Computerprogramms durch Herunterladen aus dem Internet wirtschaftlich gesehen vergleichbar. Die Online-Übertragung entspricht funktionell der Aushändigung eines materiellen Datenträgers.
  • Würde die Anwendung des Grundsatzes der Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens auf Programmkopien beschränkt, die auf einem materiellen Datenträger gespeichert sind, könnte der Urheberrechtsinhaber den Wiederverkauf von aus dem Internet heruntergeladenen Kopien kontrollieren und bei jedem Wiederverkauf erneut ein Entgelt verlangen, obwohl ihm bereits der Erstverkauf der betreffenden Kopie ermöglicht hat, eine angemessene Vergütung zu erzielen.
  • Die Erschöpfung des Rechts auf Verbreitung einer Programmkopie nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 betrifft nur Kopien, die Gegenstand eines Erstverkaufs in der Union durch Urheberrechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung waren. Sie bezieht sich nicht auf Dienstleistungsverträge wie etwa Wartungsverträge, die sich von einem solchen Verkauf abtrennen lassen und anlässlich dieses Verkaufs gegebenenfalls für einen bestimmten Zeitraum geschlossen wurden. Gleichwohl bewirkt der Abschluss eines Wartungsvertrags wie der des Ausgangsverfahrens anlässlich des Verkaufs einer nichtkörperlichen Programmkopie, dass die ursprünglich gekaufte Kopie repariert und aktualisiert wird. Selbst wenn der Wartungsvertrag befristet ist, sind die aufgrund eines solchen Vertrags verbesserten, veränderten oder ergänzten Funktionen Bestandteil der ursprünglich heruntergeladenen Kopie und können von deren Erwerber ohne zeitliche Begrenzung genutzt werden, und zwar auch dann, wenn der Erwerber später beschließt, seinen Wartungsvertrag nicht zu verlängern.
  • Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 den Ersterwerber nicht dazu berechtigt, die von ihm erworbene Lizenz für eine seinen Bedarf übersteigende Zahl von Nutzern gilt, aufzuspalten und das Recht zur Nutzung des betreffenden Computerprogramms nur für eine von ihm bestimmte Nutzerzahl weiterzuverkaufen. Der Ersterwerber, der eine körperliche oder nichtkörperliche Programmkopie weiterverkauft, an der das Recht des Urheberrechtsinhabers auf Verbreitung nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 erschöpft ist, muss nämlich zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs seine eigene Kopie unbrauchbar machen, um nicht das ausschließliche Recht des Urhebers auf Vervielfältigung des Computerprogramms nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2009/24 zu verletzen. In einer Situation wie der im vorstehenden Satz dargestellten nutzt der Kunde des Urheberrechtsinhabers die auf seinem Server installierte Kopie jedoch weiter und macht sie somit nicht unbrauchbar.
  • Zwar kann sich die Überprüfung, ob eine solche Kopie unbrauchbar gemacht worden ist, als schwierig erweisen. Jedoch steht der Urheberrechtsinhaber, der auf einem Datenträger wie einer CD-ROM oder einer DVD gespeicherte Programmkopien verbreitet, vor demselben Problem, da er kaum nachprüfen kann, ob der Ersterwerber nicht doch Programmkopien erstellt hat, die er nach dem Verkauf des materiellen Datenträgers weiterhin nutzen kann. Zur Lösung dieses Problems steht es dem – „herkömmlichen“ oder „digitalen“ – Vertreiber frei, technische Schutzmaßnahmen, etwa Produktschlüssel, anzuwenden.  Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass der Urheberrechtsinhaber beim Weiterverkauf einer Nutzungslizenz durch den Weiterverkauf einer von seiner Internetseite heruntergeladenen Programmkopie berechtigt ist, mit allen ihm zur Verfügung stehenden technischen Mitteln sicherzustellen, dass die beim Verkäufer noch vorhandene Kopie unbrauchbar gemacht wird.
  • Erwirbt der Kunde des Urheberrechtsinhabers eine Programmkopie, die sich auf dessen Internetseite befindet, nimmt er beim Herunterladen auf seinen Computer eine nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 zulässige Vervielfältigung der Kopie vor. Es handelt sich dabei nämlich um eine Vervielfältigung, die erforderlich ist, damit der rechtmäßige Erwerber das Computerprogramm bestimmungsgemäß nutzen kann.
  • Da der Urheberrechtsinhaber dem Weiterverkauf einer Programmkopie, für die sein Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 erschöpft ist, nicht widersprechen kann, ist der zweite und jeder weitere Erwerber dieser Kopie „rechtmäßiger Erwerber“ derselben im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24. Somit kann beim Weiterverkauf der Programmkopie durch den Ersterwerber der neue Erwerber die ihm vom Ersterwerber verkaufte Kopie nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 auf seinen Computer herunterladen. Dieses Herunterladen ist als Vervielfältigung eines Computerprogramms anzusehen, die erforderlich ist, damit der neue Erwerber das Programm bestimmungsgemäß nutzen kann.